Spätestens seit es die High End
Messe gibt (1982), ist der Begriff "High End" einem grösseren
Publikum bekannt. War es anfangs nur ein Versuch, sich von dem
damals üblichen, aber eben doch schon etwas verwaschenen Begriff "Hifi"
bzw. „Hifi-Stereo" abzusetzen, so wurde daraus für die kommenden
Jahre schon ein gewisses Qualitätsmerkmal.
Hifi, Hifi-Stereo
Was versteht man denn unter Hifi bzw. Hifi Stereo? Der Fachmann
verknüpft mit diesem Begriff bestimmte technische Daten; für den
Laien sollte dieser Begriff „Hifi Stereo" jedoch mit Musik
verbinden, das Erlebnis der Musikwiedergabe in höchster technischer
Vollendung. Das war die Absicht, und es war auch die Absicht, dem
menschlichen Ohr eine hohe Priorität einzuräumen, weil das Ohr den
Messgeräten vieles voraus hat, besonders Umwelteinflüsse und
Geschmacksempfindung.
Dieser Hif Stereo Begriff wurde mit einer Norm verknüpft, der DIN
45500. Leider waren die Forderungen der DIN 45500 ein
Minimal-Kompromiss, soll heissen, diese Daten waren eigentlich von
jedem Gerät zu erreichen, sofern in den Entwicklungslabors nicht
geschludert wurde. In jedem Fall konnten bei diesen Daten nicht alle
Geräte klanglich überzeugen.
Beispiel 1,
Mindestanforderung an
einen Verstärker 1972:
-
Klirrfaktor: 1 %
von 40 Hz bis 12500 Hz
-
Intermodelation:
3 %
-
Kanalgleichheit:
3 dB von 200Hz bis 6300 Hz
-
Übersprechdämpfung: 40 dB bei 1000 Hz
-
30 dB bei 200
bis 10000 Hz
-
Fremdspannungsabstand: 50 dB bezogen auf 100 mW
Leider wurde der
Schwerpunkt bei der Vermarktung der Hifi Stereo Geräte auf diese
technischen Daten gelegt. Der anfänglich auch vorhandene Gedanke,
das Erlebnis der Musikwiedergabe in höchster technischer Vollendung
trat in den Hintergrund.
High End
Das war der Grund, warum sich eine Szene entwickeln konnte, die wieder
das musikalische Erleben in den Mittelpunkt stellte. Die
Übertragungsanlage sollte in erster Linie Musik vermitteln,
technische Daten waren notwendig aber nicht wichtig. Nach vielen
Diskussionen einigte man sich auf den Begriff „High End". Die
Geschichte der High End Society ist sehr eng mit dem Begriff High
End verknüpft (siehe High End Katalog 96).
Sicherlich waren zu Beginn der High End Messe-Veranstaltung die
meisten Exponate, die auf dieser Messe ausgestellt und vorgeführt
wurden, auch würdig, das Attribut "High End" für sich in Anspruch zu
nehmen. Obwohl es keine feste Definition des High End Begriffs gab,
war man sich doch einig was darunter zu verstehen war. Ein Kriterium
erschien wohl von Anfang an relevant: es musste gut und sauber
klingen und die Illusion des livehaften in sich tragen.
Allerdings macht der gute Klang
nicht unbedingt ein Hifi-Gerät zu einem High End Gerät. Es gibt auch
noch andere Kriterien, die wichtig sind.
Nehmen wir zum Beispiel einen Endverstärker, der relativ gut klingt,
und auf der anderen Seite auch noch sehr preiswert ist. Vermutlich
wird auch das Design durchschnittlich sein. – Hier ergibt sich die
Frage, warum ist er so preiswert? Entweder wird er in sehr hoher
Stückzahl produziert, und / oder es wird an den Bauteilen, am
Gehäuse, an der Stabilität des gesamten Gerätes gespart. Das kann
wiederum grossen Einfluss auf die Langzeitstabilität haben, das kann
Einfluss auf die Gehäusestabilität haben und das kann auch die
Lebenserwartung des Verstärkers beeinflussen. Das kann auch nach
einigen Jahren noch zu häufigen Reparaturen führen. All das ist
möglich, muss aber nicht so sein.
An diesem Negativ-Beispiel erkennen wir aber einige Dinge, die einen
High End Verstärker ausmachen:
Was macht einen
High End Verstärker
-
Er sollte
hervorragend klingen,
-
er sollte eine
perfekte Illusion des Livehaften erzeugen,
-
das Gerät sollte
mit besten Bauteilen bestückt sein,
-
sollte eine
innovative Technik besitzen,
-
gute Messdaten
erreichen,
-
auf keinen Fall
brummen, leises Hören mit allen Klangfarben muß möglich sein,
-
er sollte eine
grosse Langzeitstabilität haben,
-
sollte in einem
stabilen Gehäuse verpackt sein,
-
das Gerät sollte
ein schönes, edles und aussergewöhnliches Design haben.
Mit dieser Aufzählung kann man sehr
schnell und leicht zwischen einem Hifi- und High End-Verstärker
unterscheiden.
Auch andere Geräte, wie zum Beispiel Laufwerke, Lautsprecher,
CD-Player, Tonabnehmer, Phono-Möbel und Kabel, kann man an diesen
Kriterien messen. Ein High End Gerät sollte eigentlich alle
obengenannten Punkte erfüllen. Die folgenden Messdaten sind
Durchschnittswerte, es sind in vielen Fällen auch noch bessere
Ergebnisse möglich.
Beispiel 2,
Messdaten eines High End
Verstärkers:
-
Klirrfaktor:
kleiner als 0,01 %
-
Intermodulation:
kleiner als 0,01 %
-
Kanalgleichheit:
besser als 1 dB
-
Übersprechdämpfung: 80 dB bei 1000 Hz
-
75 dB bei 10 KHz
-
Fremdsspannungsabstand: 95 dB bezogen auf 500 mV
Natürlich werden heute auch noch
ganz andere Messwerte ermittelt, die grössere Aussagewerte haben,
als es früher der Fall war. IM-Verzerrungen, TIM-Verzerrungen,
Übertragungsbereich, Dämpfungsfaktor, Anstiegsgeschwindigkeit,
Anstiegszeit und andere. – Dieser Ausflug in die technischen Daten
sollte eigentlich nur einen Vergleich zu „Beispiel 1" darstellen.
Messdaten sind zwar wichtig bei der Entwicklung der Geräte, aber sie
sind nur einer von vielen Punkten, die ein High End Gerät ausmachen.
Bewertung
Allerdings ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint, ist
es auch nicht, eine angemessene Bewertung zu finden. In der
Aufzählung sind nämlich neben einigen objektiven Punkten, wie:
Bauteile, Messdaten, innovative
Technik, Gehäuse und Langzeitstabilität, auch einige subjektive
Punkte, wie: hervorragender Klang, livehafte Illusion und
aussergewöhnliches Design enthalten.
Schon der „hervorragende Klang" ist ein sehr schwieriges Kriterium. –
Viele Leute haben unterschiedliche Hörgewohnheiten, haben Vorlieben
für bestimmte Klangeigenschaften. Man bedenke nur die Anhänger der
Röhrentechnik, sowie die Anhänger der Transistor-Technik, die
Anhänger der analogen Schallplattenwiedergabe und die Anhänger der
digitalen Technik.
Allen gemeinsam ist aber die emotionale Bindung zur Musik, die
angesprochen sein will. Genau so ist es auch mit dem Gefühl der
Livehaftigkeit. Man muss es so empfinden, wie man es auch empfindet,
wenn man bei einem Livekonzert ist. Das ist heute wohl das
wichtigste Kriterium, was einen High End Verstärker oder überhaupt
ein High End Gerät ausmacht.
Über Design lässt sich ebenfalls vortrefflich streiten. Was dem einen
zu modern, ist dem anderen schon altmodisch. Es gibt allerdings
einige ästhetische Gesichtspunkte, auch einige ganz praktikable
Betrachtungen, nach denen man ein Gerät als schön, als praktisch,
als modern oder futuristisch bezeichnen kann.
Auf alle Fälle sind diese Kriterien nicht gleichzusetzen mit einem
Testsieg bei einer Fachzeitschrift. – Nicht jeder Testsieger muss
auch ein High End Gerät sein. Zu einer vergleichenden Aussage kann
man eigentlich nur kommen, wenn man in dem gleichen Raum, mit den
gleichen Komponenten hört, ein gutes Gehör hat, das gleiche
Programm-Material benutzt und viel von Musik versteht.
Somit werden die Punkte
„hervorragender Klang" und „Livehaftigkeit" immer subjektiv
betrachtet werden, die ästhetischen Gesichtspunkte vom „Design"
können durchaus objektiv verifiziert werden, weil es allgemeine
Regeln der Ästhetik und des goldenen Schnitt‘s gibt.
Bei den objektiven Gesichtspunkten ist es wesentlich einfacher.
Bauteile, innovative Technik, gute Messdaten, Langzeitstabilität und
stabiles Gehäuse sind problemlos zu verifizieren.
Somit kann man sagen:
-
wenn ein
Gerät gut und livehaft klingt (was auch ein jeder darunter
versteht),
-
mit
hervorragenden Bauteilen bestückt ist,
-
mit
innovativer Technik entwickelt und erdacht ist,
-
gute
Messdaten hat,
-
kein
„Brummen" verursacht, auch leise mit allen Klangfarben
gehört werden kann,
-
langzeitstabil ist,
-
ein stabiles
Gehäuse hat und
-
mit einem
schönen und ansprechenden Design versehen ist,
handelt es sich im allgemeinen um
ein High End Gerät.
Von einer High End Norm ist diese
Definition natürlich noch weit entfernt. Die objektivierbaren Punkte
könnten durchaus in eine Norm gefasst werden, aber bei den
subjektiven Punkten ist es weitaus schwieriger, wenn nicht
unmöglich, eine Norm zu definieren.
Es wäre allerdings sehr hilfreich, wenn es gelingen würde,
objektivierbare Kriterien zur Beurteilung von guten und livehaften
Klang zu finden, wenn man messen könnte was die Ohren erfassen. Dann
würde zwar der emotionale Anteil des Musikhörens noch als subjektive
Bewertung übrig bleiben, aber ein wesentlicher Teil der Bewertung
wäre dann objektiv zu erfassen.
Solange das nicht möglich ist, werden wir uns mit den oben
aufgeführten Punkten begnügen müssen.
Siegbert Tessendorf
Entwicklung TE Audio Systeme
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