Im High
End Katalog '89, Seite 112-115
(siehe
Teil I), habe
ich versucht, das oben genannte Thema von einer mehr theoretischen
Seite anzugehen. Diesmal sollen es praktische Erfahrungen sein, die
dieser Fortsetzung zugrunde liegen
Die High End Kette
Die
High End Kette ist eine bewußte Aneinanderreihung von verschiedenen
Komponenten zu einem elektroakustischen Übertragungssystem. Das
entscheidende Kriterium dieses Systems ist die möglichst naturgetreue
Wiedergabe. In erster Linie entscheidet jeder für sich, wann seine
Anlage »möglichst naturgetreu« ist, aber es sollte auch von anderen
Hörern als solches erkannt und bestätigt werden. Zu dieser gesamten
Kette gehört jedes einzelne Teil vom Tonabnehmer bis zum Lautsprecher
- oder digital betrachtet, vom Laser bis zum Schallwandler. Auch die
Verbindungskabel und ihre Kontaktstellen zählen zu diesem
Übertragungssystem.
Die
Austauschbarkeit
Die
Austauschbarkeit der einzelnen Komponenten hat den Vorteil der
Veränderung, birgt aber auch die Gefahr der negativen Veränderung. Ist
eine Anlagekette einmal zusammengestellt und abgestimmt, sollte der
Austausch der Komponenten nur einzeln erfolgen. Nur ein Glied der
Kette darf gegen ein anderes ausgewechselt werden, wenn Geräte
untereinander verglichen
werden. Niemals
gleichzeitig die Lautsprecher und das Kabel, den Vorverstärker mit dem
Kabel zu den Endstufen oder ähnliches gleichzeitig tauschen. Es ist
einer der häufigsten Fehler, aus Aufstellungsgründen oder
Anschlußproblemen ein Kabel mit einer Komponente zusammen
auszutauschen. Dabei gilt der Grundsatz: je besser der Lautsprecher,
Verstärker oder CD-Player, je besser die Kette, je deutlicher sind
auch die Kabelunterschiede zu hören! Auch entgegen anderslautender
Behauptungen. Man muß sich unbedingt darüber im klaren sein, was
beurteilt werden soll und dementsprechend durch Austausch der
Komponenten vergleichen. Dabei aber pedantisch genau sein, nur so
können Unterschiede im Höreindruck auch einen Aussagewert haben.
Die Räume
Die Austauschbarkeit der Räume soll heißen, daß die gleiche Kette in
verschiedenen Räumen gehört werden kann und zu sehr unterschiedlichen
Höreindrücken führen kann. In der Verbindung von unterschiedlichen
Komponenten in unterschiedlichen Räumen läßt sich erahnen, welche
unterschiedlichen Hörergebnisse möglich sind. Berücksichtigt man nun
auch noch das unterschiedliche Programmaterial, ähnelt das Vergleichen
von Komponenten eher einem »Lotteriespiel« als einer Beurteilung.
Mit Programmaterial sind Schallplatten, CD's,
DAT-Bänder oder Tonbänder gemeint. Aus dem möglichen Programmaterial
sollte man sich ein paar wenige Aufnahmen auswählen, die an sehr
vielen Ketten und in unterschiedlichen Räumen gehört wurden und deren
Neutralität und Natürlichkeit überzeugend ist. Dadurch wird ein
musikalischer Eindruck von den Aufnahmen vermittelt, der aus der
Erfahrung wiedererkannt wird, sofern es sich um Fremdaufnahmen
handelt. Bei Eigenaufnahmen ist es etwas leichter, weil man diese
Aufnahmen ja selber gemacht hat. Mein Vorschlag für drei Aufnahmen zum
Abhören und Vergleichen wie folgt:
1. Orchester oder Instrument mit Stimme,
2. großes Orchester,
3. kleine Besetzung mit rhythmischen Anteilen.
Nur mit
diesen Aufnahmen sollte man an die Beurteilung gehen. Hinzu kommt noch
ein Erfahrungsschatz an natürlichen Wiedergabekriterien.
Beispielsweise ist das Händeklatschen eine Übung, die in jedem Raum
durchgeführt werden kann. Auch ist es wichtig, immer wieder ein
Klavier, eine Gitarre, ein Schlagzeug in »Natura« zu hören und sich
einzuprägen. Nur so bekommt der Hörer einen Eindruck von natürlichen
Klängen und hat Vergleichsmöglichkeiten.
Beim Hören und
Vergleichen von Komponenten sollte als erstes auf richtige
tonale Wiedergabe geachtet werden. Der typische Klang einer Klarinette
oder einer Flöte sollte auf Anhieb und sofort erkannt werden. Bei
einer Gitarre sollten nicht nur die Saiten des Instruments, sondern
auch der Korpus klingen, die Resonanz, das Nachklingen muß zu hören
sein, vorausgesetzt, es handelt sich um eine gute Aufnahme.
Als zweites
Bewertungskriterium geht es um die natürliche Räumlichkeit. Ist der
Aufnahmeraum und seine Proportionen nicht bekannt, wird eine Aussage
über die Richtigkeit schon sehr problematisch. Es gibt allerdings
Schallplatten und CD's, auf denen Angaben über Raum und Plazierung der
Instrumente gemacht werden. Diese Aufnahmen haben dann beim Hören und
Vergleichen auch einen Aussagewert über Räumlichkeiten und Abbildung
der Instrumente. Von einem Verstärker oder Lautsprecher eine Aussage
über Räumlichkeit und Abbildung der Instrumente zu machen, ohne über
die Aufnahmesituation informiert zu sein, erscheint mir sehr
leichtfertig und ungenau. Wenn auch die räumliche Tiefe einer High End
Kette von vielen Hörern als sehr positiv empfunden wird, so sollte
doch davor gewarnt werden, diesen Tatbestand überzubewerten.
Wichtig, vielleicht sogar wichtiger erscheint mir die klare und
richtige Abbildung der Instrumente und die Homogenität der Instrumente
untereinander sowie deren Größenverhältnisse. Die Wiedergabe sollte
ein möglichst getreues Abbild der Aufnahme sein.
Objektives oder emotionales Hören
Beim
Vergleichen und Beurteilen von Komponenten einer High End Kette kann
es sich immer nur um objektives Musikhören handeln. Auch dieser
Aufsatz behandelt das Thema unter objektiven Gesichtspunkten. Es gibt
auch Konzertbesucher, die zu den objektiven Musikhörern zählen, indem
sie die Partitur des vorgetragenen Konzerts auf dem Schoß liegend
verfolgen. Auch ein »High Ender« kann in einem Life-Konzert sitzen und
oblektiv Musikhören, indem er auf tonale Einzelheiten, Ortung der
Instrumente oder Reflexionen im Konzertsaal achtet. Der emotionale
Musikhörer achtet auf all diese Dinge sicher nicht. Er erlebt die
Musik, läßt sich von ihr treiben wie von einem Fluß klaren Wassers.
Gedanken und Wünsche, Gefühle und Sehnsüchte werden frei, Ideen
entstehen, innere Kräfte können sich entfalten. All dies wird einem
musikliebenden Menschen nicht unbekannt sein. Auch dem Verfasser sind
diese Gefühle durchaus bekannt. Nur sollte man den Grad dieser
Emotionen nicht zum Wertmesser einer High End Kette machen! Mit einem
billigen und einfachen Radio kann man unter bestimmten Bedingungen und
entsprechender Gemütslage durchaus ähnliche Gefühle erleben.
Dies ist kein Plädoyer für objektives Musikhören, sondern ein
beachtenswerter Hinweis für den Musikliebhaber, sich über die Art des
Musikhörens im klaren zu sein.
Es ist
durchaus erholsam und entspannend, ohne Vorbehalte sich von der Musik
treiben zu lassen, die »Moldau« in sich zu spüren. |