AUDIO SYSTEME

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Entkoppeln
von Geräten einer High-End-Kette

Fachaufsatz aus dem High End Katalog 1993 von Siegbert Tessendorf

Als die CD vor 10 Jahren auf den Markt kam, hatte sicherlich selten jemand daran gedacht, den CD-Player ähnlich aufwendig aufzustellen wie einen Plattenspieler. Auch war es eine grosse Ausnahme, wenn Verstärker, Phonostufen oder Lautsprecher in irgend einer Weise mit Bedacht aufgestellt wurden, abgesehen von dem gleichschenkeligen Dreieck, nach dem Lautsprecher im Verhältnis zum Hörplatz ausgerichtet wurden.
Die Situation hat sich insofern geändert, als heute von sehr vielen Firmen Zubehör zum Aufstellen und Entkoppeln angeboten wird. Aber das Angebot ist in den letzten Jahren so vielfältig geworden, daß die Wahl zur Qual wird, sofern nicht einige Kriterien bekannt sind, an denen man sich orientieren kann. Die erste Frage lautet: „Was wollen wir entkoppeln und was wollen wir damit erreichen"?
Als Elektronikentwickler möchte ich mich an dieser Stelle auf elektronische Geräte beschränken. Für Lautsprecher gelten sicherlich ähnliche Kriterien, nur sind die Wechselbeziehungen zwischen Raum, Aufstellung und Entkoppelung zu komplex und sollten gesondert behandelt werden. Handelt es sich um einen CD-Player oder ein CD-Laufwerk, so gibt es einen interessanten Bericht in „Stereoplay" 10/91. Untersucht wurde ein bekanntes amerikanisches CD-Laufwerk auf einem:

Ikea Tisch;
rundes, voluminöses Klangbild
Marmor Säule;
präzises Klangbild mit heller Klangbalance
100 Kg Betonklotz;
ruhige, präzise, griffige Abbildung
Betonklotz mit bestimmten Entkopplungsfüssen;
noch weniger Schärfe, sonst wie oben.

Die ähnlichkeiten der Ergebnisse zu einem Schallplattenlaufwerk sind nicht zu übersehen und können durchaus als Orientierung gelten. Allerdings kann es von Gerät zu Gerät spezifische Unterschiede geben, und es gibt durchaus Player, denen ein wenig Resonanz ganz gut bekommt. Zuviel Entkoppelung kann das Klangbild auch verschlechtern.
Es ist an der Zeit, sich einmal Gedanken darüber zu machen, was eigentlich
geschieht und warum Geräte in vielen Fällen entkoppelt besser klingen.
Es sind in erster Linie Schallwellen und Resonanzen an festen und beweglichen Körpern, mit denen wir es zu tun haben. Schallwellen von einer Schallquelle sind Schwankungen des Luftdrucks. Die Schallquelle bringt in ihrer unmittelbaren Umgebung die Luftteilchen zum Schwingen. Die Zusammenstöße der Teilchen übertragen die Schwingungen auf benachbarte Teilchen, usw. (Dickreiter: „Handbuch der Tonstudiotechnik"). Auch ist die Schallgeschwindigkeit in festen Körpern im allgemeinen wesentlich höher als in der Luft. Es entsteht Körperschall durch Mitschwingen von Konstruktionsteilen. Hinzu kommen Resonanzen, also schallverstärkende Stellen im Aufbau der Konstruktion.
Eine Vielzahl von Schallereignissen und Resonanzen wirken auf Geräte und Elektronik ein. Eine Leiterplatte ist zum Beispiel mit Elektrolyt-Kondensatoren bestückt, die wiederum mit Folien und Elektrolytflüssigkeit gefüllt sind, Transistoren, die über Steuerelektroden (Basis, Gate) den Stromfluß, also die Elektronenbewegung steuern, mit Widerständen, die von extrem kleinen Strömen durchflossen werden. Zum Beispiel wird der Transistor eines Eingangsdifferenzverstärkers im allgemeinen von einem Strom von 200 µA bis 2 mA (0,0002 Ampere bis  0,002 Ampere) durchflossen. Hinzu kommen Relais, Schalter und mechanische Kontaktstellen sowie Kabelverbindungen im Gerät und außerhalb des Gerätes.

Um Wechselwirkungen zwischen Elektronik und äusseren Erregungen aufzuzeigen, wurden mehrere Versuche durchgeführt, die für den Fachmann wie auch für den qualifizierten Laien wiederholbar und verifizierbar sind. Der Messaufbau war wie in Abbildung I gezeigt.

von links nach rechts:

NF-Generator - Messobjekt - Klirrfaktor-Messgerät - Pegel-Messgerät - Osciloscope


Abbildung I

Untersucht wurden:

1 Phono MC-Verstärker, 1250-fache Verstärkung / +62 dB,

1 Hochpegel-Vorverstärker, 10-fache Verstärkung / +20 dB,

1 bestückte Leiterplatte, 10-fache Verstärkung / +20 dB, linker Kanal: diskrete Transistorschaltung, rechter Kanal: IC (NE 5534) beschaltet.

Die Geräte und Bauteile wurden mit zwei kleinen Gummihämmern mal leicht und mal stark beklopft. Ein Gummi, 14 x 10 mm, am kleinen Holzstiel, der zweite Gummi, 30 x 26 mm, mit entsprechendem Holzstiel. Die Ergebnisse waren signifikant. Starkes und leichtes Klopfen mit kleinem und grossem Gummi führte immer zu einer entsprechenden Erhöhung des Klirrfaktors. Beispielsweise ein starker Schlag auf den Boden der Phonostufe erhöhte den Klirrfaktor des 1 KHz Signals auf 2,5 % (K ges.), wenn er vor dem Versuch noch bei 0,01 % lag. Aber auch die Hochpegelvorstufe im Gehäuse reagierte ganz deutlich auf starke und leichte Schläge an Gehäuse und Bauteilen. Dabei stellte sich heraus, wo die grössten Empfindlichkeiten herrschten. Dies waren Relais, danach Eingangskabel, Buchsen und Schalter, gefolgt von Kondensatoren, Leiterplatte, Transistoren, Widerstände und IC`s. Auf der bestückten Leiterplatte konnte festgestellt werden, daß IC`s weniger empfindlich auf äußere Einwirkungen reagieren als komplexe Transistor-Konfigurationen. Allerdings war es sehr schwierig wegen der Wechselwirkung unter den einzelnen Bauteilen an dieser Stelle noch zu differenzieren. Eine relativ starke Reaktion wurde an dem Eingangskabel zwischen Tongenerator und Verstärker festgestellt, eine sehr schwache Reaktion an dem Ausgangskabel vom Verstärker zum Klirrfaktor-Messgerät. Der Ausgangswiderstand betrug bei allen Geräten 50 Ohm und alle Messkabel hatten eine Impendanz von 50 Ohm. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen zur Zeit nur einen Analogieschluss zu: Wenn Elektronik in dieser Form auf äussere Einflüsse reagiert, müssten auch Schallwellen einschließlich Körperresonanzen der Geräte zu Reaktionen der Signale führen.
Es erfordert allerdings umfangreiche Versuche, wobei Messobjekte und Messgeräte akustisch getrennt voneinander mit Schallwellen und Impulsen "beschossen" werden müssten.

Welche Konsequenzen müssen nun aus dem Gesagten gezogen werden ?

Zum einen macht es Sinn, was Spezialisten und "Eingeweihte" schon seit Jahren praktizieren, nämlich ihre Geräte, Verstärker, Laufwerke usw. zu entkoppeln und separat aufzustellen. Zum anderen ist es auch sinnvoll - was einige Hersteller schon praktizieren -, die Elektronik konstruktiv stabil und resonanzarm zu "verpacken".
Eine lose Aufzählung von Materialien sei dem Interessenten an dieser Stelle genannt. Marmor, Beton und Holztisch wurden eingangs schon erwähnt. Spezielle Pressholzplatten, mehrfach verleimtes Sperrholz, Granitstein, Knochenstein, Glas. Acryl, Aluminium, Messing, Blei, Gummi, Kork und Silicon sowie Filz und andere Akustikdämmer. An Schwingungsdämpfern gibt es solche mit Metallfassung oder mit Steinfassung. Auch die Weichteile dieser Dämpfungsfüsse sind mit Silicon beklebt oder mit flüssigem Siliconöl gefüllt und verkapselt sowie mit speziellen Kunststoffmischungen verarbeitet. Ausserdem gibt es die Spikes in sehr vielen Ausführungen und Materialien. Die entscheidende Frage lautet: Was will ich mit dem Entkoppeln erreichen ? Einen hohen Grad an Natürlichkeit und Neutralität oder nur ein mir angenehm erscheinendes Klangbild ?
Erstrebenswert ist immer die Anlehnung an natürliche Töne.
Eine Orientierung gibt sicherlich schon die Untersuchung mit dem CD-Laufwerk in „Stereoplay". Mit Holztisch war das Klangbild rund und voluminös, mit Marmor präzis mit hellem Timbre, mit Glas wäre es sicher noch härter (Eigenversuch) und auf Beton in Verbindung mit Dämpfungsfüssen war es sehr natürlich. Hörvergleiche unter gleichen Bedingungen, jedoch statt der Dämpfungsfüsse mit Spikes, hätte wieder zu ganz anderen Ergebnissen geführt.
Im allgemeinen nimmt bei richtiger Entkoppelung die Durchsichtigkeit und Durchhörbarkeit , die Räumlichkeit und Basspräzision zu.
Meine Erfahrung nach sind Knochensteine (eine Art Betonstein) in Verbindung mit Dämpfungsfüssen auf Siliconbasis recht erfolgversprechend, sofern es sich um Transistorgeräte handelt, bei Röhrengeräten können Knochensteine mit Spikes besere Erfolge bringen. Aber das ist von Gerätetyp zu Gerätetyp unterschiedlich. Es gibt keine festen Faustregeln und es geht nicht ohne Experiment. Eine Tatsache hat sich allerdings im Laufe der Zeit herausgestellt. Daß Geräte im allgemeinen ihre Füsse an den äusseren vier Ecken haben, ist in erster Linie nur praktisch, ob es auch gut für den Klang ist, hängt vom Aufbau und von der Konstruktion des Gehäuses ab.
Zum Schluss möchte ich von einigen speziellen Erfahrungen berichten, die mein Freund
Frank Renner, Kunstmaler und ambitionierter High-Ender aus dem Bodenseeraum, mir mitgeteilt und bei verschiedenen Hörsitzungen auch demonstriert hat. Er verwendet seit Jahren kleine Bleiröllchen, die er sich aus 3 mm starken Bleiplatten herstellt. Im allgemeinen haben diese Röllchen einen Durchmesser von 12-14 mm und eine Höhe von 20-30 mm. Zur Grundausstattung benötigt man 4 Röllchen pro Gerät, 2 Röllchen vorne rechts und links, 2 Röllchen trapezförmig hinten im Abstand von ca. 50 mm (siehe Abbildung II).

Bleiröllchen

Hifi-Verstaerker
Abbildung II    Hifi-Verstärker

Sehr wichtig ist, dass alle Bleiröllchen die gleiche Länge haben und die gleiche Masse (evtl. mit dem Hammer korrigieren). Bei Monoendstufen müssen die Bleistücke an der gleichen Stelle unterlegt werden, das heisst, die rechte Endstufe muss genauso entkoppelt werden wie die linke. In jedem Fall ist die Basis jeder Aufstellung besagter Knochenstein. Ist die trapezförmige Entkoppelung noch relativ einfach zu praktizieren, so ist beispielsweise die trafobezogene Aufstellung schon wesentlich komplexer. Zum einen müssen bei der trafobezogenen Aufstellung alle Geräte der Kette so aufgestellt werden und zum anderen ist sie sehr zeitraubend.
Es fängt damit an, dass man unter dem Schwerpunkt des Trafos (Mitte des Trafos) in jedem Fall ein Bleiröllchen setzt und auch dort belässt, die anderen Röllchen dazu verwendet, das Gerät ins Gleichgewicht zu stellen und mit diesen dann auch versucht, durch Verschieben der Röllchen ein Optimum an Natürlichkeit und Räumlichkeit zu erreichen. Es gibt einfach Stellen am Gerät, wo höhere Resonanzen und somit auch höhere Energien bestehen, die es abzuleiten gilt.
Nun hat sich aber gezeigt, wenn diese Energien symmetrisch abgeleitet werden, ist noch eine klangliche Steigerung möglich. Es zeigt sich in der Form, daß der Raum in der Abbildung nach oben breiter wird, eine leichte Verschiebung der Mitte in Richtung grösser und weicher stattfindet (symmetrisch heisst, die gleichen Röllchen, die unter dem Gerät plaziert sind müssen in gleicher Menge und an gleicher Stelle auch auf dem Gerät plaziert werden).
Die Versuche meines Freundes wurden nicht nur mit Verstärkern unseres Hauses durchgeführt, sondern es wurden auch andere Geräte der obersten Referenzklasse verwendet. Natürlich gibt es gerätespezifische und werkstoffbezogene Unterschiede, aber es gibt auch Erfahrungen und Gemeinsamkeiten, die bei allen Geräten anwendbar sind. Ein gesundes Maß an kritischer Experimentierfreude und ein gutes Ohr für natürliche Klänge sind aber Voraussetzung für ein gutes Gelingen.

Viel Spass bei Ihren Entkopplungsspielen.

Siegbert Tessendorf
Entwicklung TE Audio Systeme
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