Wer hat sich nicht schon darüber gewundert oder gar geärgert, von ein
und demselben Produkt, sei es ein Verstärker, ein Kabel oder ein
Lautsprecher, unterschiedliche Aussagen zu hören oder zu lesen. Wer
hat nicht selber schon einen Lautsprecher oder einen Verstärker
unterschiedlich gehört. Diesen Unterschied ein wenig auf die Spur zu
kommen, ist der Sinn dieses Aufsatzes.
Zwei Gruppen
Im allgemeinen sind es bei der Beurteilung von einzelnen Komponenten
zwei Gruppen von Hörern. Die eine Gruppe, meist sehr belesen und gut
informiert, mit den neuesten Testberichten vertraut, können sie beim
Hören sehr schnell ihre "Erfahrungen" nachvollziehen. Eine weitere
Gruppe hat ein erhebliches Maß an »Hörerfahrung«. Beiden Gruppen
gemeinsam ist eine Tatsache der Psychoakustik nämlich, daß man sehr
schnell das hört, was man hören will oder etwas nicht hört, was man
nicht hören will (man verzeihe mir die grobe Verallgemeinerung). Es
ist eigentlich nur eine Frage der Aufmerksamkeit. Jeder hat schon
einmal in einer Gruppe gestanden, in der sich mehrere Leute
miteinander unterhalten haben. Es bedarf keiner allzugroßen
Konzentration, abwechselnd den einzelnen Gesprächen zuzuhören - das
gleiche Schema.
Um dem Unterschiedlichen auf die Spur zu kommen, bedarf es einiger
Kenntnisse über Raum, Schall, Instrumente und ihre Eigenschaften, um
nur ein paar Beurteilungskriterien zu nennen.
Aspekte des Raumes
Betrachten wir uns einmal die Aspekte des Raumes. Da sind zum ersten
die Größenunterschiede von Aufnahme- und Wiedergaberaum zu nennen.
Des weiteren sind es die Hörsamkeit, also die Eignung eines Raumes
für bestimmte Schallereignisse, in unserem Fall im allgemeinen für
Musikwiedergabe. Auch die Durchsichtigkeit der Musikwiedergabe, also
die Klarheit der Darbietung kann raumabhängig sein
(Schallreflexionen bis 80 ms nach dem Schallereignis erhöhen die
Durchsichtigkeit und Empfindung der Räumlichkeit bei
Musikwiedergabe). Auch ist die Stereohörfläche zu nennen, der Hörer
muß sich in einer bestimmten geometrischen Anordnung zu den
Lautsprechern befinden. Das Ergebnis ist die Illusion des
Stereohörens durch Phantomschallquellen in Wechselwirkung von Pegel-
und Lautzeitdifferenzen. Bei einem Boxenabstand (Basisbreite) von 3
m ist die Stereohörfläche in 3 m Abstand des Hörers nur etwa 21 cm
breit, in 5 m Hörabstand nur etwa 38cm. Bei Lautsprechern mit großem
Abstrahlwinkel kann sich die Hörfläche um einen Faktor 1,5
verbreitern, allerdings auf Kosten einer geringeren
Lokalisationsschärfe. Ungleiche Lautsprecherabstände zum Hörer
dürfen auf keinen Fall durch Pegelausgleich der beiden Stereokanäle
(Balance) kompensiert werden, denn die Lautsprechersignale dürfen
keine Lautzeitdifferenzen haben.
Primärschall und Überlagerung
Hinzu kommt die
Problematik der Beeinflussung des unteren Frequenzbereichs der
Lautsprecher durch die Raumoberflächen. Von den Wänden reflektierte
Schallwellen überlagern den Primärschall und erhöhen den
Schalldruck. Nahe einer Seitenwand um + 6 dB, in einer Raumecke um +
9 dB bei Frequenzen unterhalb von 200 Hz. Bei der
Beurteilung von HiFi-Komponenten sollte ein weiterer Hörer nicht
neben, sondern immer hinter oder vor dem Hörer sitzen. Bei
ungleichem Abstand der Lautsprecher von den Seitenwänden sollte die
nahe Wand schallabsorbierend sein.
Schall und Wohnraum
Die Nachhallzeit bei
kleinen Zimmern sollte bei 0,5 s und bei großen Wohnräumen nicht
mehr als 1 s betragen. Zum Nachhall des Hörraums kommt stets noch
der Nachhall des Aufnahmeraumes. Der Raumeindruck an sich, also die
Empfindung von Breite, Tiefe sowie Halligkeit eines Raumes wird
verursacht von Reflexionen mit einer Verzögerungszeit von 10 - 80 ms
und vorwiegend bei großer Lautstärke gehört. Überhaupt sind große
Lautstarken, also hohe Hörpegel für einige Beurteilungen von
erheblicher Bedeutung. Bei Sinuswellen können beispielsweise
Intensitätsunterschiede von 0,33 dB bei 1 KHz und 70 dB Hörpegel
erkannt werden. Bei einem Hörpegel von 30 dB sind nur
lntensitätsunterschiede von max. 1 dB zu erkennen. Bei 4 KHz und 70
dB Hörpegel liegt die Unterscheidungswelle sogar bei 0,25 dB.
Allerdings liegen die Unterscheidungschwellen bei Tönen von
Musikinstrumenten anders, weil Tonhöhe und Klangfarbe eine andere
Zusammensetzung haben als Sinuswellen mit einer einzigen
Frequenzkomponenten.
Musikinstrumente
Auch das Wissen von
Musikinstrumenten und ihren Eigenschaften ist von Bedeutung.
Musikinstrumente sind komplizierte Schwingungssysteme. Resonanzen
spielen eine besondere Rolle. Jeder Ton eines Instruments setzt sich
aus dem Grundton und seinen Obertönen zusammen. Der Klang eines
Instrumentes hängt sehr stark von der relativen Intensität seiner
Obertöne ab. Der Forscher Helmholz hat herausgefunden, daß die
subjektiv empfundene Klangfarbe fast unabhängig von der relativen
Phasenlage der Obertöne ist. Unser Gehör ist für diese
Zeitverschiebungen fast völlig unempfindlich, es neigt dazu, die
einzelnen Teiltöne getrennt zu registrieren und ohne Beachtung der
Phasenlage wieder zusammenzusetzen.
Interferenzen
Ein anderer Aspekt ist die Wärme oder auch Musikalität eines
instrumentalen Klanges. Wird zum Beispiel derselbe Ton von einer
einzelnen Geige gespielt, so klingt er dünner und spitzer als von
einer Streichergruppe, die den gleichen Ton wärmer wiedergibt. Das
hängt damit zusammen, daß selbst gute Musiker nie ganz exakt
dieselbe Tonhöhe spielen. Zwischen den unterschiedlichen Tönen mit
Frequenzunterschieden von zwei und mehr Hertz entstehen
Interferenzen, Schwebungen, die für unser Ohr als wärmer empfunden
werden. Ähnlich verhält es sich beim Klavier. Von den 88 Tasten
eines Flügels bestehen 68 der oberen Tasten aus Saitentrios, das
heißt, wird eine der genannten Tasten angeschlagen, erklingen drei
gleichgestimmte Saiten gleichzeitig. Die restlichen 20 unteren
Tasten schlagen einfache oder doppelte Saiten an. Diese Tatsache
führt beim Klavier zu einem komplexen Klangmuster mit sehr vielen
Interferenzen, auch Schwebungen genannt. Übrigens hat das Klavier
einen Frequenzumfang von 27,5 Hz bis 4186 Hz und einem
Dynamikbereich von 45 dB.
Der Tieftonbereich
Ein anderer Punkt, der
auch immer wieder zu kontroversen Auffassungen führt, ist der
Tieftonbereich von Wiedergabesystemen. Die Grundtöne eines
Kontrabasses im tiefsten Bassbereich sind sehr schwach ausgebildet
und ihre Pegel liegen um etwa 30 dB tiefer als die stärksten
Obertöne. Im Frequenzbereich zwischen 70 Hz und 250 Hz liegen die
wichtigsten Klangkomponenten der tiefen Kontrabaßtöne. Außerdem noch
ein Resonanzton von 400 Hz, über 1500 Hz treten kaum noch
harmonische Anteile auf. Bei den höheren Kontrabaßtönen reicht das
Obertonspektrum bis ca. 2500 Hz. Noch höhere Klanganteile werden nur
noch durch das typische »Sirren« beim anstreichen und beim
klatschenden Zupfen hervorgerufen. Der Dynamikbereich beim Kontrabaß
liegt bei 35 dB. Allerdings ist bei moderner Popmusik mit
elektronischen Mitteln auch eine erhebliche Pegelverschiebung der
Grundtöne wie auch der Dynamik nach unten wie nach oben möglich.
Dynamik
Die Dynamik der
einzelnen Musikinstrumente des Orchesters liegt in der Komposition
und Interpretation begründet; je stärker der dynamische
Grad ist, umso mehr Teiltöne (Grundtöne und Obertöne) werden
ausgebildet und umso höher liegt der Pegel der Obertöne. Eine
dynamische Steigerung bewirkt also eine Zunahme des Obertonbereichs.
Die Gesamtdynamik eines Orchesters kann über 80 dB betragen, wobei
Studioaufnahmen im allgemeinen höhere Dynamikwerte erreichen als
Konzert- und Liveaufnahmen mit Publikum
Bei den einzelnen
Instrumenten haben folgende Instrumente besonders hohe
Dynamikwerte, also Pegelunterschiede:
Klarinette |
50dB |
Horn |
50dB |
Posaune |
50dB |
Pauke |
60dB |
Orgel |
45dB |
menschliche Stimme: |
Sopran |
55dB |
Tenor |
50dB |
|
|
Die Schmerzgrenze bei 1 KHz wird mit
130 dB, bei 2 KHz mit 120 dB Schallpegel erreicht. Die untere
Grenze, also die Hörschwelle liegt bei 1 KHz
bei 4 dB, bei 2 KHz bei -4dB.
Dies sind nur einige wenige Betrachtungen zu einem sehr komplexen
Thema, die aber in jedem Fall bei der Beurteilung von Komponenten
einer High End Kette berücksichtigt werden müssen. So wird zum
Beispiel kaum ein Raum identisch mit einen anderen sein, und somit
müssen auch die gleichen Schallereignisse Unterschiedlichkeiten
aufweisen. Wenn man auch noch berücksichtigt, daß die Schallplatte
zwar nur einen Dynamikbereich von 35 -40 dB hat, aber bei
ausgesuchten Direktschnitten Frequenzen bis maximal 50000 Hz
erreicht werden können.
Ein Tonband hat einen Dynamikbereich von 65 dB und die CD erreicht gar
über 90 dB, aber Frequenzen über 20000 Hz (Stand 1989) werden bei
der CD nicht mehr übertragen. Das bedeutet, die unterschiedlichen
Medien beinhalten Vor- und Nachteile und man kann sie durchaus
nutzen.
Was wünschen wir uns denn?
Bei Aufnahme und Wiedergabe sollen die Klänge mit physikalischen
Mitteln so aufbereitet werden, daß beim Hörer genau dieselben
Empfindungen hervorgerufen werden wie beim Original. Eine
elektroakutische Anlage ist deshalb schon als ideal zu betrachten,
wenn alle Sinuskomponenten des Originalklanges enthalten sind
(Helmholz). Wichtig ist weiter, daß die relative Intensität der
einzelnen Komponenten exakt aufrecht erhalten wird. Um die
Klangfarbe möglichst originalgetreu zu reproduzieren, muß der
Frequenzgang eines Systems über ein breites Spektrum extrem linear
verlaufen. Interessant ist auch die Wechselbeziehung zwischen
Bandbreite eines Systems und der nichtlinearen Verzerrungen. Bei
einer geringen Bandbreite (50 Hz- 5000 Hz) werden dreifach stärkere
Verzerrungen hingenommen als bei einer Bandbreite von 30 Hz - 20000
Hz. Ein breitbandiges Ubertragungssystem verlangt unbedingt sehr
geringe Verzerrungen.
Zum Schluß eine
Empfehlung an den Musikfreund. Nach einer Phase der Experimente und
Vergleiche, sollte unbedingt eine Phase des entspannten Musikhörens
folgen, denn das entspannte Musikhören ist unser eigentliches Ziel. |